Liebe Kolleginnen und Kollegen,

seit wenigen Wochen können wir auf unseren diesjährigen Landestag in Celle zurückblicken. Ungefähr 200 Kolleginnen und Kollegen haben die perfekte Organisation unserer Gastgeber-Schule, dem Gymnasium Ernestinum, erfahren können, eine würdige Eröffnungsveranstaltung erleben dürfen und in inspirierenden Arbeitskreise neue Anregungen mitgenommen. Allen, die bei der Vorbereitung und Durchführung mitgewirkt haben, möchte ich für ihr Engagement herzlich danken.

Aus den Redebeiträgen des Vormittags ließ sich ablesen, dass moderner Lateinunterricht mit seinen Bildungszielen in der Gesellschaft durchaus Akzeptanz findet. Persönlichkeitsbildung, Toleranz und Weltoffenheit sind als Ergebnisse von Unterricht stellt niemand in Frage.  

Hinterfragt wird hingegen immer häufiger die Vermittlung sprachlicher Kompetenzen. Wann immer in den Medien über Latein berichtet wird, taucht die Frage auf, ob in Zeiten von Twitter Lateinunterricht noch seinen Platz habe. Was für eine Vorstellung von Bildung oder eher von unserer Gesellschaft steckt hinter einer solchen Frage? Vermittelt Twitter Bildungswerte? Ist der Message-Stil das neue Sprachvorbild? Andere Fähigkeiten als sprachliche Ausdrucksfähigkeit genießen offenbar einen höheren Stellenwert. 

Dennoch vermelden zahlreiche Schulen im Lande wieder steigende Anwahlzahlen für Latein – auch wenn das in der jüngsten dpa-Meldung aufgrund alter Zahlen des MK so nicht an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Gibt es vielleicht doch eine Rückbesinnung auf die Lerntugenden, die Latein vermittelt? Was erwarten Schüler, wenn sie Latein wählen? Was wünschen sich die Eltern? Manche sehnen sich mit Sicherheit nach Struktur und einem soliden sprachlichen Fundament. Dafür steht Latein noch immer und ist damit tatsächlich etwas Besonderes im Fächerkanon.

Aus den Redebeiträgen und in den Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen wurde aber auch deutlich, dass der Spagat zwischen den in unseren Fächern notwendigen Kompetenzanforderungen und der Unterrichtsrealität immer größer wird. Auch wenn die curricularen Vorgaben in moderater Weise die veränderten schulischen Bedingungen berücksichtigen, ist oftmals die große Heterogenität in den Lerngruppen die Ursache dafür, dass die geforderten Kompetenzen nicht erreicht werden können, zumindest nicht mit allen Schülerinnen und Schülern. Heterogenität in den Lerngruppen hat auf der anderen Seite auch zur Folge, dass die Schülerinnen und Schülern, denen es möglich wäre, die lateinische Sprache zu erlernen, nicht in der für sie adäquaten Weise gefordert werden können. 

Die für unsere Sprachen bestehenden Konzepte der Binnendifferenzierung stecken immer noch in den Kinderschuhen, das gilt insbesondere für die Spracherwerbsphase. Umso wichtiger dürfte es sein, Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu eröffnen, Hilfsmittel zu nutzen. Allerdings helfen Wörterbuch und Grammatik nur dann weiter, wenn eine sachgerechte und zielorientierte Nutzung gewährleistet ist. Vielleicht aber gelingt es uns, durch häufigeren und gelenkten Einsatz der Hilfsmittel den Schülerinnen und Schülern zu mehr Kompetenzen in diesem Bereich zu verhelfen. Machen wir uns auf den Weg und lassen uns die Freude an unserem Beruf nicht verderben.

Viele Grüße,

Stefan Gieseke

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