Liebe Mitglieder des Niedersächsischen Altphilologenverbandes,

wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr zurück: Sie mussten vielfältige Lücken Ihrer Schülerinnen und Schüler aus der Zeit des pandemiebedingten Heimunterrichtes sowohl im Kenntnis- als auch im Sozialen Bereich auffangen bzw. sind noch dabei, dies zu tun...

Erstmals haben wir in den Osterferien Erfahrungen mit einem digitalen Bundeskongress gemacht, der außerordentlich gut besucht wurde, wenn auch die Bereicherungen des persönlichen Austausches fehlten.

Erfreulicherweise konnte der Landestag mit Griechischem Schwerpunkt am 23. September 2022 in gewohnter Weise mit persönlichen Begegnungen stattfinden und wir danken dem Wilhelm-Gymnasium Braunschweig und seinem Direktor, Herrn Volker Ovelgönne, für die freundliche Einladung sowie unserem Braunschweiger Bezirksvertreter Sören Conrad und der Fachgruppe am Wilhelm-Gymnasium für die  engagierte Übernahme der Organisation vor Ort!

Prof. Michael Erler, Würzburg, hielt einen äußerst gedankenanregenden Vortrag mit dem Titel „Hilfe für den Gott. Religion und Aufklärung in Platons Euthyphron”, der wieder einmal deutlich machte, in welch herausragender Weise Texte der griechischen Antike als das „nächste Fremde” (Uvo Hölscher) uns sowohl die Grundlagen unserer europäischen Denktraditionen als auch heutige unhinterfragte Selbstverständlichkeiten bewusst machen. Auch Herr Math vom Kultusministerium und Frau Bürgermeisterin Kaphammel als Vertreterin des Schulträgers  hoben den wesentlichen Beitrag der Alten Sprachen zur Sprachbildung wie zur Persönlichkeitsbildung hervor. Das Grußwort der Bürgermeisterin Kaphammel wie auch die Begrüßungsworte der Vorsitzenden des NAV erhellten darüberhinaus, wie viel in der aktuellen niedersächsischen Schulbildung besonders im Sprachlichen Bereich im Argen liegt, von großen Mängeln in der Vermittlung von Lese- und Schreibkompetenzen an den Grundschulen über eine ständige Reduzierung des geforderten Wortschatzes, sei es im Deutschen, sei es in den Fremdsprachen, bis hin zu einer immer weiteren Kürzung und Vereinfachung von Schulbuchtexten - Ausdruck der grassierenden „Weglass-Didaktik” (Stefan Kipf)... Fortgesetzt wird diese Reihe durch die Absenkung der Fremdsprachenverpflichtung im Jg. 11 in Niedersachsen mit der Folge der Reduktion der sprachlichen Bildung um ein Drittel in der Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler auf die Qualifikationsphase gegenüber den deutschlandweiten Normalanforderungen. Hinzu kommt die Weigerung des Kultusministeriums, dafür zu sorgen, dass Schülerinnen und Schüler, die weite Fahrwege auf sich nehmen müssen, um Griechisch als dritte Fremdsprache erlernen zu können, wenigstens die Fahrtkosten erstattet bekommen. Begleitend ergibt sich eine starke Reduktion literaturgeschichtlicher Kenntnisse bis hin zur Geschichtsvergessenheit der eigenen Wurzeln: Wie kann es sein, dass angesichts unserer breit gepflegten Erinnerungskultur der 2500. Jahrestag der Schlacht von Salamis vergessen wurde? (Christian Meier, Wer wären wir ohne die Griechen?, FAZ vom 22.9.2022) Ein Ereignis, das in Analogie des berühmten Ausspruches von John Stuart Mill, dass die Schlacht von Marathon für die Englische Geschichte wichtiger gewesen sei als die Battle of Hastings, da es bei ersterer um den Erhalt der europäischen Tradition von politischer Freiheit und demokratischer Selbstverwaltung ging, doch eigentlich von noch größerer Bedeutung für unser politisches Denken und Handeln war, wäre doch das Ergebnis von Marathon ohne diesen erneuten Sieg aufgehoben worden... Ein umfangreiches Arbeitkreisangebot am Nachmittag sowohl zu latinistischen wie zu gräzistischen Themen, um den obengenannten Trends entgegenzuwirken, rundete die Veranstaltung ab.

Bildungspolitisch wird sich nach der Landtagswahl im Oktober mit dem Wechsel im Kultusministerium eine Veränderung ergeben - auch hier werden wir die Themen der Essenzialität sprachbildenden Unterrichts, der Fremdsprachenbelegungs-verpflichtung in der Einführungsphase, der Einhaltung des Klassenteilers bei Fremdsprachengruppen sowie erweiterter Wahlmöglichkeiten in der Qualifikationsphase mit den neuen Entscheidungsträgern besprechen in der Hoffnung, bei einer Kultusministerin, die immerhin einmal ein Germanistik- und Philosophiestudium in Göttingen begonnen hat, auf offene Ohren zu stoßen...

Jubiläen bieten ja immer einen Anlass zum Innehalten - und so möchten wir das 50jährige Jubiläum der DAV-Erklärung zu den Zielen des Altsprachlichen Unterrichts, die dereinst ja in Hannover verabschiedet wurde, zum Anlass nehmen, diese, die nichts an Aktualität eingebüßt hat, im Inneren des Heftes noch einmal abzudrucken und einige Parallelen zwischen den damaligen und heutigen bildungspolitischen Debatten anzudeuten.

Um sowohl den Schülerinnen und Schülern, die derzeit in Griechisch-Prüfungskursen Platons Euthyphron lesen, zur Integration ihres Semesterthemas als auch allen anderen Interessierten eine niedrigschwellige Teilnahmemöglichkeit an der Wiederholung von Michael Erlers Vortrag anbieten zu können, wird er auf Einladung des NAV diesen am Montag, dem 16. 1. 2023, um 18 Uhr c.t. noch einmal über ZOOM halten. Den Link werden wir auf der Homepage veröffentlichen, so dass Sie sich dazuschalten können!

Desweiteren haben wir gemeinsam mit Prof. Nesselrath ein neues Format entwickelt: Den Tag der Alten Sprachen an der Georgia Augusta in Göttingen - am 5. Juli, kurz vor den Sommerferien, kamen zahlreiche Latein- und Griechischlerngruppen der Jg. 11 und 12, einige 10klässler waren auch dabei, nach Göttingen, genossen zwei Kurzvorträge von Prof. Nesselrath und Prof. Kuhlmann zu griechischen und lateinischen Zentralabitursthemen, erhielten Informationen zum Studium der Alten Sprachen in Göttingen, konnten sich mit Studierenden und Dozenten austauschen, auf Kosten des NAV ein Mittagessen in der Mensa zu sich nehmen sowie zur Abrundung die Bibliothek und die Abgusssammlung besichtigen, also umfänglich in die universitäre Atmosphäre eintauchen!

Aufgrund des großen Erfolges und der Begeisterung auf Seiten aller Beteiligten wollen wir dieses Format jetzt jährlich anbieten! Merken Sie sich daher bereits jetzt Dienstag, den 20. Juni 2023, als den Tag vor, an dem Sie mit Ihren Schülerinnen und Schülern der Jg. 10 bis 12 nach Göttingen kommen werden und freuen Sie sich auf Kurzvorträge von Prof. Nesselrath zur Antigone und von Prof. Kuhlmann zu Tacitus, auf das Mensa-Essen, die Besichtigungen von Bibliothek und Abgusssammlung und ganz besonders auf den Austausch mit den Dozentinnen und Dozenten und den Studierenden!

Merken Sie sich außerdem bereits jetzt Freitag, den 29. September 2023, für den uns dankenswerterweise das Marianum in Meppen eingeladen hat, dort den Latinistentag abzuhalten!

Die nächste NAV-Vertreterversammlung wird am 1. 2. 2023 stattfinden, wenn Sie also Ihren Bezirksvertreterinnen oder -vertretern Anliegen dafür auf den Weg geben wollen, wenden Sie sich an diese! Selbstverständlich freuen wir als Vorstand uns auch jederzeit über Anregungen zu Fortbildungsveranstaltungen oder bildungspolitischen Fragen, die wir aufgreifen sollten!

Mit den besten Wünschen für ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes Neues Jahr

der Vorstand

Katja Sommer (Vorsitzende), Michaela Lantieri (Stellvertr. Vorsitzende), Christian Löhr (Stellvertr. Vorsitzender)

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